Prüft alles und behaltet das Gute. (1. Thessalonicher 5,21)

Die Losung für das neue Jahr 2025 fordert mich von Anfang an heraus. Schon mit ihrem ersten Wort hat sich mich am Wickel. Ich soll prüfen, sagt sie mir. Will ich das überhaupt? Prüfen ist anstrengend. Und selbst geprüft werden ist unangenehm. Nur sehr ungern erinnere ich mich an entsprechende Situationen in Schule, Ausbildung, Studium. Um zu prüfen, braucht es zudem klare Maßstäbe. Aber wer setzt die? Und: Wo finde ich sie?

Ein zweites Wort fällt mir auf – das letzte der Losung. Es geht also um das Gute. Das soll erkannt und festgehalten werden, in möglichst umfassendem Sinn. Und wieder kommen mir mehr Fragen als Antworten: Was bitte schön ist denn gut? Und wer legt das fest? Ist das vermeintlich Gute auch wirklich immer für alle gut? Ja und: Lässt es sich überhaupt so klar erkennen, wie es wünschenswert wäre, das Gute?

Mit diesen Gedanken greife ich zu dem Bild, das der Losung Farben und Formen geben will. Und unwillkürlich frage ich mich: Ist das gut – oder kann das weg? Soll ich mich diesem Werk nun auch mit kritischem Geist nähern und es einer sorgsamen Prüfung unterziehen? Die Künstlerin Doris Hopf hat es gemalt. Ich googele sie und finde ihre Homepage im Netz. Gleich auf der ersten Seite bleibe ich an folgender Aussage hängen: „Bilder brauchen Zeit zum Bedenken, zum Werden, für das Betrachten, für das, was durch sie zurückkommt. Sie eröffnen einen leisen Dialog zwischen Betrachter und sich selbst.“

Schöne Sätze, finde ich. Sie ermutigen mich, mir die nötige Zeit zu nehmen und mich erstmal unbefangen einzulassen auf das, was ich da sehe. So will ich das Bild betrachten und erwarten, dass irgendetwas passiert. Ein leiser, aber echter Dialog, wird ja kaum ohne Wirkung bleiben. Und womöglich eröffnet sich mir ja gerade auf diese Weise ein hilfreicher Zugang zur Jahreslosung?!

Für meine Entdeckungsreise durch das Bild nehme ich mir dabei das letzte und nicht das erste Wort der Losung als Frage mit: Was finde ich gut? Was gefällt mir? Was berührt mich positiv?

Und je länger ich schaue, umso mehr (meiner Ansicht nach) Gutes kann ich notieren:

  • Die Farben, mag ich alle. Sie passen gut in meine Welt: Oben links ist das frische Grün der Hoffnung und des neuen Lebens, das jedes Frühjahr auch in der Natur neu ans Licht drängt. Das daran anschließende tiefe Blau erinnert mich zugleich an die Weite des Meeres und an das Bad im Wasser des Himmels, durch das Gott mein Leben neu gemacht hat. Dann sehe ich auch Violett und Schwarz, die Farben des Leides und der Trauer. Beides nicht unbedingt schön. Und doch gehören solche Erfahrungen ja unabdingbar zum Leben dazu. Sie lassen mich reifen. Und Gott hat dieses Schwere auch mit mir und für mich getragen: in Jesus, seinem Sohn. Ihn entdecke ich nebenbei links als große Einzelfigur mit Heiligenschein und Christusmonogramm auf der Brust. Er steht unter dem großen Kreuz, das er für mich und alle Menschen auf sich genommen hat und an dem er gestorben ist. Jesu Farbe ist das Rot der Liebe Gottes, ohne die die Welt so kalt und dunkel wäre. Es ist zugleich das Rot seines Blutes, das er für uns vergossen hat. Und schon schweift mein Blick weiter, hin zum warmen Orange, das mich an herrliche Sonnenaufgänge und -untergänge denken lässt; an jeden neuen Tag, den Gott mir und dieser Welt schenkt. Und ich sehe auch ein strahlendes Gelb, das mir gewiss macht: Seit Weihnachten und Ostern scheint dem Kosmos und allem, was lebt, Gottes Licht in Jesus. Alle, die sich IHM anvertrauen, erwartet einst eine Ewigkeit in Gottes Gegenwart, so hell, so schön, so unbeschreiblich, wie das Weiß rechts unten im Bild.
  • Ja, mir gefallen die Farben ausnahmslos gut. Aber auch die Formen sprechen mich an. Da sind so viele Kreise. Sie liegen über und nebeneinander. An manchen Stellen berühren sie sich sogar. Drei besondere, durchsichtige, vielfach unendlich runde Flächen liegen im Vordergrund und dominieren das Bild. Sie sehen aus, als hätte jemand Kieselsteine in ein stilles Wasser geworfen. Wie malt man so etwas? Faszinierend. Hier vermischen sich auch die Farben. Und die Impulse der einzelnen Kreiswelten bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die anderen daneben. Jetzt sehe ich auch die Gruppe von fünfzehn Menschen, die bei Jesus in einem Regenbogenstrudel steht. Und ich entdecke die sieben Ichthys-Fische, die sich dort fröhlich tummeln und hell leuchten, wie die Sonne und der funkelnde Heiligenschein der Christusfigur. Da sind also Menschen, die sagen: „Jesus ist der Christus, der Sohn Gottes, unser Retter“. Da sind Menschen, die in IHM „Pax“, also tiefen Frieden haben. Und ich sehe das Kreuz: wie ein Schwert; wie ein Wegweiser zur Hoffnung; wie ein schützendes Dach; wie ein Maßband für Höhe, Tiefe, Länge und Breite; wie eine Achse, die alle Farbebenen und alle Bildteile verbindet und hält. Vieles in einem. So liegt es da.

Und dann fällt mein Blick auf die Waage, die rechts am Querbalken des Kreuzes hängt. Mit ihr kehren meine Gedanken nun zur Jahreslosung als Ganzes zurück. Es ging ja ums Prüfen, ums Abwägen. Und um das Erkennen des Guten und das Festhalten daran.

Und, was soll ich sagen, durch meine Zeit mit dem Bild und die Reise durch Farben und Formen, habe ich eine neue Sicht gewonnen. Die Losung erstrahlt nun in einem ganz anderen Licht:

  • Es geht um mein Leben in seinen unterschiedlichen Bereichen, mit seinen wachsenden Jahresringen. Die schwingenden Kieselstein-Kreise laden mich ein, die drei für mich wichtigsten Lebensräume zu benennen. Ich entscheide mich für „Familie/Freunde“, „Gemeinde/Kirche“ und „Beruf/Gesellschaft/Welt“. Vielleicht teilst du es für dich anders ein?! Ich bleibe für den Augenblick bei meiner Wahl und stelle erneut fest: Die Bereiche stehen nicht unverbunden nebeneinander. Sie berühren und überlappen sich. So, wie mein Leben eine Einheit ist, auch wenn es sich auf verschiedenen Feldern abspielt. In diesen unterschiedlichen Bereichen gibt es überall Schönes und Schweres. Aber stets soll das Gute dominieren, sich ausbreiten, durchscheinen.
  • Den Maßstab, um dieses Gute zu entdecken und festzuhalten. Den Maßstab auch, um zu entscheiden, was dieser Prüfung nicht standhält. Ihn finde ich in der Mitte, im Kreuz und in Jesus Christus: Gott, sein Wort, seine Liebe, sein Tun, … – daran lohnt es sich auszurichten, in allen Lebensbereichen. Daran lohnt es sich festzuhalten und offensichtlich Schlechtes im Gegenzug loszulassen. Und das Beste ist:
  • Ich brauche es nicht allein zu tun. Jetzt ist es mir klar. In der Losung heißt es ja: Prüft. Behaltet. Das ist Plural. Er weist mich darauf hin: Ich habe Menschen an meiner Seite, die mir prüfen helfen. Ich habe Geschwister und Weggefährten, die ich um Rat fragen kann und die mir zur Seite stehen. Und gemeinsam können wir beten, auf Jesus hören, ihm folgen. So lassen sich allezeit, sogar in Schlingern, Wellen und Sturm, gute Wege suchen und finden, um darauf mit Gott zu gehen.

Und wenn mein Leben dann am Ende eines Tages von Gott geprüft werden wird? Wenn er all mein Tun und Lassen, mein Reden und Schweigen, mein Denken und meine Gedankenlosigkeit auf seine Goldwaage legt? Dann predigt mir das Bild auf tröstliche Weise ins Herz: „Hab keine Angst davor, dann für zu leicht befunden zu werden. Solange du nur bei Jesus bist und unter seinem Kreuz Zuflucht suchst, wird Gott dich freundlich anschauen.“ – Das kleine Gesicht, das sich bei genauem Hinsehen im Befestigungspunkt der Waage am Kreuz erkennen lässt, es weist darauf hin. Es blickt auf die rechte, die goldene Waagschale. – „Gott sieht allein das Gute, was Jesus in deinem Leben hat wachsen lassen. Schlechtes wird bei jener göttlichen Prüfung einst dann nicht gefunden werden. Denn Jesus hat es durch seinen Tod am Kreuz von dir genommen. So bist du frei zu hoffen, frei zu lieben, frei Gottes Ewigkeit entgegen zu leben. Und: Frei, in der Gemeinschaft der Kinder Gottes, alles zu prüfen und das Gute zu behalten, 2025 und dein Leben lang.“

(Bildbetrachtung von Pastor Helge Dittmer aus Kiel, Quelle: https://helfer.gemeindebriefdruckerei.de/blog/)

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